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Musikalische Sozialisation oder:
Welche Schallplatten meinen Geschmack prägten!
Teil1 - die Zeit vor der Wende!
Gern nehme ich die Aufforderung von Thomas Senft aus der analog 02.22 auf und reihe mich in die Offenbarungen von Rainer Bergmann ein.
Ähnlich wie Rainer begann meine musikalische Sozialisation in den 1970iger Jahren und ging im ersten Teil bis zur Wende 1989. Mehrheitlich geprägt durch die gesendete Musik von SFB, AFN Berlin und RIAS aus den Studios in West-Berlin. Aufgewachsen im heute umgangssprachlich genannten „Speckgürtel“ von Berlin war die Empfangssituation sehr komfortabel. Die aus den Rundfunkanstalten West-Berlins zu empfangende Musik war jedoch auf Vinyl in der 1970igern in der damaligen DDR nur begrenzt zu erwerben. So saß ich stundenlang vor dem Kassenrecorder und ärgerte sich permanent über das Raufquatschen der Moderatoren auf die Musiktitel, die ich gerade mitschneiden wollte.
Aber hier soll es ja um die Vinylsozialisation gehen. Das gab es auch im Osten. Geprägt von der Plattensammlung meiner Eltern wurde ich wie sicher viele andere auch an Musik herangeführt.
Die ersten Platten, die ich bewusst wahrnahm, waren AMIGA „A Collection of Beatles – Oldies“ und „Im Tijuana Taxis“ von Herb Albert. Die Alben wurden Anfang der 1970iger veröffentlich. Später in den 70igern legten meine Eltern dann Harry Belafonte, Simon and Garfunkel, Deep Purple, Cat Stevens wie Fleetwood Mac`s „Rumours“ auf. Nachhaltig beeindruckt haben mich letzte drei Alben. Bei den Veröffentlichungen ging AMIGA unterschiedliche Wege. Entweder waren es durch AMIGA selbst zusammengestellte Kompilation wie von Cat Stevens und Deep Purple oder direkte Eins zu Eins Übernahme von Rechteinhabern wie bei „Rumours“ von WEA oder Simon and Garfunkel von CBS.
Die Plattensammlung meiner Eltern war nicht groß, jedoch gab es verwandtschaftliche Kontakte, die gelegentlich Zugriff auf die oft unter der Ladentheke verteilten Lizenzplatten von AMIGA hatten. Ähnlich wie bei Rainer erfolgte der nächste Schritt über den Musikunterricht in der Schule. Mein Musiklehrer war Quereinsteiger. Als Profimusiker musste er sich nach einem Unfall als Musiklehrer verdingen, da er sein Instrument (Trompete) nicht mehr spielen konnte. Es hatte jedoch in meiner Erinnerung den Ansatz die Schüler für Musik zu begeistern und nicht mit Musik zu quälen. Und das gelang bei mir großartig über Bach und Beethoven. Ich kann mich gut an die Begeisterung erinnern über die Brandenburgischen Konzerte (BWV 1046-1051) und die Beethoven Sinfonien.
Besonders eingeprägt haben sich die Aufnahmen mit Kurt Masur und dem Gewandhausorchester Leipzig. Die ETERNA Black Label Reihe der Sinfonien 4,5,6 und 9 habe ich noch immer im Schrank und diese waren tatsächlich auch die ersten Schallplatten, die ich mir mit meinem Taschengeld im heimischen Musikgeschäft kaufte. Natürlich gab es neben den anerkannt guten Klassik Veröffentlichungen auf ETERNA auch gute Musik von DDR-Bands. Gekauft habe ich davon jedoch nicht viel, da ich ja musikalisch von RISA und SFB geprägt wurde und diese Musik dort nicht lief. Allerdings Silly z.B. „Mont Klamott“ oder auch Karat „Der Blaue Planet“ reihten sich dann doch zu Recht in meine Plattensammlung ein.
Zu Beginn der 1980iger Jahre kamen weiter AMIGA Lizenzveröffentlichungen hinzu. Gehört habe ich viel ELO „Discovery“, STYX „Paradise Theatre“, AC / DC „Highway to Hell”, Joe Cocker, Leo Kottke, Supertramp “Breakfast in America”. Auf den Geschmack elektronischer Musik haben mich die Alben von Vangelis, Andreas Vollenweider, Mike Oldfield und Tangerine Dream gebracht. Die Liveaufzeichnung „Tangerine Dream“ während eines Konzertes im Palast der Republik, Berlin am 31.01.1980 für DT 64 ist ein einmaliges Zeitdokument. Auf Grund dieser Inspirationen nimmt heute elektronische Musik einen großen Raum in meiner Plattensammlung ein.
Weitere Vinylquellen sprudelten in den sozialistischen Bruderländern. So gab es Veröffentlichungen in Bulgarien, Ungarn, der Tschechoslowakei, Polen und der UdSSR. Als Beispiele seien hier Vinyl-Veröffentlichungen der MELODIA genannt. Diese gab es teilweise in der DDR zu kaufen oder wurden von Reisen aus der UdSSR mitgebracht. Veröffentlichungen zum Beispiel aus Bulgarien vom Label Balkanton waren jedoch zu DDR-Zeiten keine gefragten Sammelobjekte, da sowohl Cover- wie Vinylqualität weit hinter dem Standard der DDR Label ETERNA, AMIGA oder LITERA rangierte, wie an der 1986iger Ausgabe von Madonna „Like a Virgin“ deutlich zu sehen ist.
Viele Lizenzveröffentlichungen der AMIGA hingegen genießen bei Sammlern hohe Anerkennung, da die sorgfältige Arbeit in den Tonstudios und bei der Fertigung im Presswerk in Potsdam-Babelsberg hohen Anforderungen genügten. Alben in herausragender klanglicher Qualität wurden vor allem Ende der 1980iger gefertigt, wie zum Beispiel:
Paus Simon „Graceland“, Peter Gabriel „So“, Tracy Chapman „Tracy Chapman“, Tanita Tikaram „Ancient Heart“ und Neil Young „Harvest“.
So richtig nahm meine Vinylsucht dann erst nach der Wende Fahrt auf. Auf einmal war die Musikauswahl unüberschaubar groß und es gab Musik zu entdecken von der ich auch bei SFB, RIAS und co. noch nicht gehört hatte. Dazu vielleicht später mehr!














